Long-COVID und Physiotherapie
Fatigue, Luftnot, eingeschränkte körperliche und geistige Leistungsfähigkeit – diese sind häufige, aber nur ein Bruchteil der bis zu 200 Symptome, von denen Long-COVID-Erkrankte betroffen sein können. Nicht nur die Symptome an sich, sondern auch wann und wie lange sie auftreten ist sehr unterschiedlich. Den Betroffenen ist jedoch gemeinsam, dass ihre Funktionsfähigkeit im Alltag, am Arbeitsplatz sowie ihre Lebensqualität beeinträchtig sein können. An dieser Stelle knüpft Physiotherapie im Rahmen einer interprofessionellen Rehabilitation an.
Mit steigender Betroffenenzahl nimmt auch die Relevanz des Themas Long-COVID in der Physiotherapie zu: Geschätzt 76 Prozent der stationär behandelten COVID-19-Erkrankten bzw. zwischen zwei und über 20 Prozent der COVID-19-Infizierten insgesamt (milde oder symptomarme Verläufe eingeschlossen) leiden nach 12 oder mehr Wochen noch unter Symptomen – so fasst das Robert Koch-Institut (RKI) die aktuelle Studienlage zusammen. Beispielsweise für Baden-Württemberg geht das dortige Sozialministerium von geschätzt 70.000 Long-COVID-Betroffenen im Bundesland aus (Stand Ende Januar 2022). Die unterschiedlichen Zahlen kommen durch die verschiedene Studienmethodik und Definitionen zustande, weswegen es gemäß RKI noch keine verlässlichen Schätzungen gibt.
Wann spricht man von Long-COVID?
Die deutsche S1-Leitlinie zu Post-COVID/Long-COVID (AWMF, 2022) greift die zeitliche Abgrenzung von COVID-19 aus der Leitlinienempfehlung des britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE) (2020) auf:
akute COVID-19: Symptome bestehen für bis zu 4 Wochen
fortwährend symptomatische COVID-19: Symptome bestehen für 4 bis 12 Wochen
post-COVID-19 Syndrom: Symptome bestehen länger als 12 Wochen (nicht erklärbar durch andere Diagnose)
Unter Long-COVID werden die letzten beiden Kategorien verstanden, das heißt die Symptome bestehen länger als vier Wochen oder es kommen neue Beschwerden nach dem Ende der akuten Phase hinzu. Zusätzlich sieht die AWMF-Leitlinie eine Verschlechterung einer vorbestehenden Grunderkrankung als eine Kategorie für Long-COVID.
Wie äußert sich Long-COVID?
Bislang gibt es keine einheitliche Definition des Krankheitsbildes Long-COVID, daher hier zwei Beispiele: World Physiotherapy listet in den Unterlagen zum Welttag der Physiotherapie 2021 extreme Erschöpfung (Fatigue), Verschlimmerung der Symptome nach Anstrengung (PESE) und Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme („Hirnnebel“) als häufigste Symptome nach 6 Monaten.
Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung werden folgende gesundheitliche Langzeitfolgen in Studien und Patient*innenforen mit am häufigsten genannt: Müdigkeit, Erschöpfung und eingeschränkte Belastbarkeit, Kopfschmerzen, Atembeschwerden, Geruchs- und Geschmacksstörungen, Muskelschwäche und -schmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, depressive Verstimmungen sowie Schlaf- und Angststörungen.
Welche Rolle spielt die Physiotherapie?
Je nach dem, wie schwer die Krankheit verläuft und wie sie sich individuell gestaltet, kommt der Physiotherapie innerhalb der interprofessionellen Rehabilitation eine wesentliche Funktion zu, um Arbeitsfähigkeit wiederherzustellen, Pflegebedürftigkeit zu verhindern, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Beispielsweise die „S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID“ (AWMF, 2022) führt konkret aus, bei welchen Symptomen eine Heilmittelversorgung empfohlen wird (z.B. Physiotherapie bei Fatigue oder neurologischen Beschwerden und Physio- oder Atemtherapie bei pneumologischen Aspekten).
Evidence goes Practice: Flyer "Covid-19"
Allgemeine Informationen
Gesundheitsministerium unterstützt Long-COVID-Forschung mit zwei Millionen Euro (Pressemitteilung Sozialministerium BaWü, 08.02.2023)
Dokumentation „Hirschhausen - Corona ohne Ende?“ (Das Erste, 06.12.2021)
Buchtipp „Das Long-Covid-Syndrom überwinden: Klassische und alternative Therapien ausschöpfen und zu neuer Lebenskraft zurückfinden“ (TRIAS 2022, Autor: Peter Niemann)
Informationen für Physiotherapeut*innen
Weltverband World Physiotherapy
Im Fokus des Welttags der Physiotherapie am 08. September 2021 stand die Rehabilitation bei Long-COVID sowie die Rolle der Physiotherapie bei ihrer Behandlung. World Physiotherapy als Weltverband hat in diesem Kontext umfassende Materialien bereitgestellt, die zur Information über Long-COVID im Praxis- und Klinikalltag genutzt werden können. Physio Deutschland war aktiv eingebunden in die Materialerstellung.
Informationsblatt 3: Müdigkeit und Verschlechterung der Symptome nach Belastung
Informationsblatt 4: Wie Sie mit Ihrem Physiotherapeuten/Ihrer Physiotherapeutin das Pacing anwenden
Innerhalb des „COVID-19 Information Hub“ bietet World Physiotherapy außerdem in der Rubrik „Long Covid“ verschiedene englischsprachige Ressourcen, um das Verständnis und den Umgang mit den Konsequenzen von Long-COVID zu unterstützen, darunter:
Long COVID Physio-Internetseite mit Ressourcen wie z.B. Videos zu Long-COVID, Rehabilitation, Fatigue, Pacing, Brain Fog, Rückkehr an den Arbeitsplatz usw.
Darüber hinaus stellt World Physiotherapy unter anderem auf Deutsch eine Leitlinie zur physiotherapeutische Behandlung von COVID-19 im Akutkrankenhaus und darüber hinaus zur Verfügung:
AWMF Task-Force COVID-19 Leitlinien
AG Atemphysiotherapie von Physio Deutschland
Die AG Atemtherapie / AG Atemphysiotherapie von Physio Deutschland veröffentlicht online Informationen zu Fortbildungen sowie Literatur:
Informationen für Patient*innen
LONG COVID DEUTSCHLAND
Bundesweite Initiative für die Belange von Long COVID-Betroffenen
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Merkblatt für Betroffene und ihre Familien
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