Anliegen der Physiotherapie: Wo stehen wir in Baden-Württemberg?
Schulgeldfreiheit, mehr Studienplätze und eine Kammer für die Physiotherapie hat sich Physio Deutschland Baden-Württemberg schon lange als berufspolitische Ziele auf die Fahnen geschrieben. Doch wie arbeiten wir daran? Und wo stehen wir aktuell? Wir geben einen Überblick.
Berufspolitische Arbeit – wie sieht das konkret aus?
Hannah Hecker, Dr. Claus Beyerlein und Michael Austrup aus dem Vorstandsteam des Regionalverbands setzen sich konstant bei der Landespolitik für die Themen der Physiotherapie ein. Hierfür suchen sie u.a. das Gespräch mit Politiker*innen, in denen sie die Perspektive der Physiotherapeut*innen schildern, dafür argumentieren und Wissen über unsere Berufsgruppe liefern (z.B. zu Fachkräftemangel und Arbeitsbedingungen sowie Lösungsansätzen wie Schulgeldfreiheit und Akademisierung). Außerdem besuchen sie politische Veranstaltungen (z.B. Ausschüsse und Empfänge der Landtagsfraktionen), um Kontakte zu knüpfen, zu diskutieren und Input zu unseren Themen zu geben, z.T. auch in Form von Vorträgen. Hinzu kommen schriftliche Stellungnahmen und Schreiben sowie je nach Anlass spezifische Aktionen und Kampagnen, z.B. auf Social Media. Aber nicht nur mit der Landespolitik, auch mit den Kostenträgern, anderen Verbänden, (Hoch-)Schulen, Kammern und Vereinigungen unterschiedlicher Berufsgruppen steht Physio Deutschland BaWü im Austausch – u.a. zu Themen wie Bürokratieabbau im Praxisalltag.
Und wie ist der aktuelle Stand?
Schulgeldfreiheit
An öffentlichen Physiotherapieschulen in BaWü muss kein Schulgeld bezahlt werden, an privaten sind es seit dem 01. August 2018 max. 167 Euro/Monat. Im Kontext der Landtagswahl 2021 sagten die zwei Regierungsfraktionen Die Grünen und CDU in ihren Wahlprogrammen sowie dann im Koalitionsvertrag die Schulgeldfreiheit zu.
Nachdem – trotz Gesprächen mit der Politik und Schreiben des Verbändebündnisses – keine ausreichenden Mittel im Haushalt des Landtags eingeplant wurden, starteten das Bündnis Ende November 2021 eine Protestaktion auf Social Media. Weiterhin unterbreiteten die Verbände dem Sozialministerium mehrere konstruktive Vorschläge, um dauerhaft Schulgeldfreiheit zu erreichen, die jedoch abgelehnt wurden. Daher riefen die Verbände Schüler*innen und ihre Eltern im Juni 2022 zu einer E-Mailaktion an die Landespolitik auf. Ende Juli 2022 veröffentlichte das Sozialministerium dann die Verwaltungsvorschrift, um den einmaligen Zuschuss von 40 Euro pro Monat/Schüler*in für das Jahr 2022 umzusetzen. Mittlerweile wurde dieser bis 2026 verlängert.
Das Verbändebündnis ist hierzu weiter mit den Landtagsfraktionen in Kontakt und fordert die sofortige Schulgeldfreiheit. Neu ist, dass der Vorabentwurf des Berufsgesetzes auf Bundesebene für die fachschulische Ausbildung eine Ausbildungsvergütung vorsieht. Hier bleibt der finale Referentenentwurf abzuwarten.
Kammer
Obwohl eine Kammer zahlreiche Vorteile für die Berufsangehörigen der Physiotherapie mit sich bringen würde, gibt es aktuell in Baden-Württemberg keine solche Kammer. Damit eine Kammerbildung Erfolg hat, ist nicht nur die Unterstützung der Politik, sondern vor allem auch der eigenen Berufsgruppe wichtig. Dies hat u.a. das kürzliche, knappe Scheitern der Errichtung einer Landespflegekammer gezeigt. Neben politischen Gesprächen legt Physio Deutschland Baden-Württemberg daher in den letzten Jahren einen Fokus darauf, die Physiotherapeut*innen in BaWü über die Aufgaben und Funktionsweise einer Kammer zu informieren. Unter anderem veranstalteten wir im Herbst 2023 in Ulm die Infoveranstaltung „Selbstbestimmt und zukunftsfest – die Kammer als gemeinsames Sprachrohr der Branche“. Dort gaben Vorträge aus der Pflege und Psychotherapie Einblick zur Kammer bzw. Kammerbestrebungen dieser Berufe.
Außerdem werden auf der Internetseite physiotherapeutenkammer.de konstant aktuelle Infos zu einer Physiotherapeutenkammer bereitgestellt. Dort ist auch die Umfrage Kammer-O-Mat zu finden. Mithilfe dieses Stimmungsbarometers kann jede*r anonym abstimmen und anhand der Thesen überprüfen, ob er/sie aktuell für oder gegen eine Physiotherapeutenkammer ist.
Mehr Physiotherapiestudienplätze in BaWü
Aus Sicht von Physio Deutschland braucht es bundesweit – und somit auch in Baden-Württemberg – eine flächendeckend akademische Ausbildung mit hohem Praxisanteil für alle angehenden Physiotherapeut*innen (Übergangsphase von zehn bis 15 Jahren). Die Gründe hierfür legt das Bündnis Therapieberufe an die Hochschulen in seiner Kampagne "Alles nur Fassade“ dar. Auch der Weltverband World Physiotherapy spricht sich hierfür aus. Der Bestandsschutz soll dabei gesichert werden. Physio Deutschland steht hierzu im Dialog mit dem Bundesgesundheitsministerium. Mehr zum aktuellen Stand der Novellierung des Berufsgesetzes auf Bundesebene ist unter anderem in unserem FAKTENBLATT: Akademisierung der Physiotherapie zu finden.
In Baden-Württemberg bietet die Hochschule Furtwangen seit dem Jahr 2023 105 Studienanfängerplätze pro Jahr an. Stand 2022 waren noch 60 Studienplätze, hier wurde also aufgestockt. Neu hinzugekommen sind außerdem seit dem Wintersemester 2023/2024 40 Studienanfängerplätze an der Technischen Hochschule Ulm.
Die Finanzierungsgrundlage für die Physiotherapiestudienplätze in Baden-Württemberg ist die Hochschulfinanzierungsvereinbarung II. Dort sind von 2021 bis 2025 Mittel eingeplant, allerdings unter Haushaltsvorbehalt.
Laut Bericht aus dem Kabinett vom 16. Januar 2024 hat das Kabinett bereits im Dezember 2023 den Ausbau der Studiengänge in den Therapiewissenschaften (u.a. Physiotherapie) beschlossen. In diesem Jahr kommen somit 50 Studienanfängerplätze in der Physiotherapie hinzu. Eine entsprechende Ausschreibung der Mittel aus dem Doppelhaushalt 2023/24 muss noch erfolgen.
Bis zu einer bundeseinheitlichen Lösung verfolgt Physio Deutschland Baden-Württemberg das Ziel, die Studienplätze in BaWü zu verstetigen und auszubauen. Hierzu sucht der Regionalverband regelmäßig das Gespräch mit den Landesfraktionen und Ministerien.
Gleichzeitig arbeitet der Regionalverband daran, schon jetzt wissenschaftliche Evidenz in die klinische Praxis zu transferieren. Ein Ansatz dafür ist das Format „After Work Lecture“ (AWL). Die Online-Veranstaltungen, die Anfang 2021 vom Vorstand des Regionalverbands BaWü Dr. Claus Beyerlein ins Leben gerufen wurden, finden in der Regel einmal monatlich zu einem Fachthema statt.
Berufspolitik: Was ist Bundes- was Landespolitik?
Immer mehr berufspolitische Themen in der Physiotherapie verlagern sich auf Bundesebene – und somit auch die entsprechende berufspolitische Arbeit. So wird zum Beispiel die Vergütung für die Physiotherapie seit 2020 bundesweit einheitlich verhandelt statt in regionalen Kassenverhandlungen.
Daher ergibt es beispielsweise Sinn, dass sich unsere BaWü-Vorsitzende Hannah Hecker auch im Bundesvorstand engagiert. In dieser Meldung informieren wir über ihre ersten 50 Tagen im Team Bundesvorstand und aktuelle bundesweite Themen wie Verhandlungen zur Blankoverordnung, Weiterentwicklung des Bundesrahmenvertrags und Reform der Berufsgesetze.
Parallel ist es wichtig, auch die Politiker*innen auf Landesebene zu Bundesthemen anzusprechen und zu informieren – beispielsweise für die Mitwirkung bei der Gesetzgebung im Bundesrat.
Was, wenn mir ein berufspolitisches Thema besonders unter den Nägeln brennt?
Du hast ein (weiteres) Thema oder eine Perspektive, die bei den nächsten Gesprächen thematisiert werden sollte? Dann ruf uns an unter 0711 92541-0 oder schreibe eine E-Mail an info(at)bw.physio-deutschland.de. Wir freuen uns, von Dir zu hören!
Login Mitglieder
Geben Sie Ihre Mitgliedsnummer und Ihr Passwort ein, um sich an der Website anzumelden:
Passwort vergessen?