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27.06.2016

Frühförderstellen und Physiotherapie

Der Begriff Frühförderung ist eine Sammelbezeichnung für pädagogische und therapeutische Maßnahmen für Kinder mit einer Behinderung oder die von einer Behinderung bedroht sind. Die Maßnahmen der Frühförderung umfassen den Zeitraum der ersten Lebensjahre und können sich bis zum Kindergarteneintritt oder bis zur Einschulung erstrecken. Auch Physiotherapie gehört zum Leistungsspektrum der sogenannten Interdisziplinären Frühförderstellen und Sozialpädiatrischen Zentren.

Im Vordergrund stehen bei der Frühförderung in der Regel pädagogische – meist heilpädagogische – Hilfen, wie die Entwicklungsförderung, die z.B. durch geeignete und in der Regel sehr spielerische Methoden Anreize gibt. Hinzu kommen in vielen Fällen medizinisch-therapeutische Maßnahmen, wie sie z.B. durch Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie erbracht werden. Wirken pädagogische und medizinisch-therapeutische Leistungen zusammen, spricht man von einer Komplexleistung.

Rechtsansprüche auf Finanzierung von Maßnahmen der Frühförderung sind im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) und im Rehabilitationsgesetz (SGB IX, § 30), zusammengefasst, im Krankenversicherungsrecht (SGB V) und für Kinder mit seelischer Behinderung im Kinder- und Jugendhilferecht (SGB VIII / KJHG) festgeschrieben. Da – abhängig vom Wohnort – die Leistungen der Frühförderung äußerst unterschiedlich sind, hat der Gesetzgeber im Juni 2003 eine Rechtsverordnung erlassen – „Verordnung zur Früherkennung und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder“, auch Frühförderungsverordnung (FrühV). Diese sollte bewirken, dass medizinisch-therapeutische und heilpädagogische Leistungen stärker verzahnt und auf der Grundlage von Finanzierungsvereinbarungen abgestimmter erbracht werden.

In der Praxis hat sich jedoch herausgestellt, dass die Hoffnungen, die mit der Rechtsverordnung verbunden wurden, bisher nur unzureichend erfüllt wurden.

Situation in Baden-Württemberg

Da wir von Mitgliedpraxen immer mal wieder Fragen zum Thema „Frühförderung“ gestellt bekommen, haben wir einmal konkret bei der AOK Baden-Württemberg nachgefragt, wie es sich mit physiotherapeutischen Leistungen im Rahmen der Maßnahmen zur Frühförderung verhält. Die Fragen und Antworten haben wir hier für Sie zusammengestellt:

1. Kann eine PT-Praxis als Frühförderstelle anerkannt werden ? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Grundsätzlich ist die Anerkennung eines privaten Anbieters, also auch einer PT-Praxis nicht ausgeschlossen. Voraussetzung ist, dass die Praxis eine Leistungs-, Vergütungs- und Prüfvereinbarung nach § 75 Abs. 3, § 76 sowie § 77 SGB XII abgeschlossen hat. Das heißt: Mit dem zuständigen kommunalen Träger gilt es zu klären, ob in dem Stadt- oder Landkreis eine, ggf. weitere zusätzliche Frühförderstelle in Frage kommt. Außerdem sind die Voraussetzungen nach § 124 SGB V (s. Eckpunktepapier, Landesrahmenvereinbarung, Anlage 3) zu erfüllen. Personell muss eine interdisziplinäre Besetzung durch mindestens zwei festangestellte Fachkräfte aus dem heilpädagogischen und dem medizinisch-therapeutischen Bereich für die Leitung sichergestellt werden. Daneben sind je medizinisch-therapeutischer Fachrichtung Mitarbeiter entsprechend Eckpunktepapier vorzuhalten.

2. Kann eine PT-Praxis auch ohne anerkannte Frühförderstelle Leistungen nach dem maßgebenden Vertrag erbringen? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Nein, das ist nicht möglich.

3. Kann eine PT-Praxis eine ärztlich verordnete „Komplexleistung“ annehmen/behandeln/abrechnen?

Nein, das ist nicht möglich.

4. Kann neben einer verordneten „Komplexleistung“, die in einer anerkannten Frühförderstelle abgegeben wird, eine „normale“ KG-Behandlung laufen?

Nein (s. Heilmittel-Richtlinie, § 6 Abs. 3 Verordnungsausschlüsse), denn eine Komplexleistung (s. § 4 der Landesrahmenvereinbarung) zeichnet sich dadurch aus, dass die verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten, das Kind in der Gesamtheit sehen, interdisziplinär diagnostizieren und behandeln.

Ausnahme: Ein Kind hat z.B. eine Armfraktur – die verordnungsbegründende Diagnose steht somit in keinerlei Zusammenhang mit dem Förderbedarf.

5. Sind „Komplexleistungen“, die in Frühförderstellen erbracht werden, budgetiert?

Nein. Es handelt sich dabei nicht um Heilmittel nach § 32 SGB V, sondern um Leistungen nach § 30 Abs. 1 und 2 SGB IX in Verbindung mit der Frühförderungsverordnung (FrühV).

Auf der Internteseite des Gesundheitsamts Baden-Württemberg sind weitere Informationen  zur Frühförderung in Baden-Württemberg komprimiert abrufbar