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29.11.2022

Wie steht die Landtagsfraktion CDU zur Schulgeldfreiheit in den Gesundheitsfachberufen?

PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg setzt sich fortwährend für die Schulgeldfreiheit der Gesundheitsfachberufe in Baden-Württemberg ein und steht dafür in regem Austausch mit allen demokratischen Fraktionen in Baden-Württemberg – so auch mit der CDU. Im Interview gibt Dr. Michael Preusch MdL, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Antworten zur Schulgeldfreiheit aus Sicht der CDU:

1. Wie ist der Standpunkt der Fraktion CDU zur Schulgeldfreiheit für die Gesundheitsfachberufe in Baden-Württemberg?

  • Dr. Michael Preusch MdL: Die CDU-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg hält die bundesweite Einführung der Schulgeldfreiheit für die Gesundheitsfachberufe für dringend geboten. Wir sind überzeugt, dass angesichts des unstreitig bestehenden Fachkräftemangels finanzielle Hürden, die den Zugang zu Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen erschweren, abgeschafft werden müssen. Um die Versorgung mit Gesundheitsfachkräften auch zukünftig flächendeckend sicherzustellen, ist ein bundesweit einheitliches Vorgehen angezeigt. Ein Wettbewerb zwischen den Ländern, in denen ganz unterschiedliche Ausgangssituationen vorliegen, ist insoweit wenig zielführend.

 

2. Die Gesundheitsfachberufe befinden sich seit Jahren in der Krise. Der Fachkräftemangel hat sich so zugespitzt, dass nicht auf eine bundesweite Lösung für die Schulgeldfreiheit gewartet werden kann. Welchen Zeitrahmen sehen Sie für die Schulgeldfreiheit in Baden-Württemberg?

  • Dr. Michael Preusch MdL: Wir sind der Ansicht, dass es schnellstmöglich zu einer bundesweiten Lösung für die Schulgeldfreiheit kommen muss. Diese muss so ausgestaltet sein, dass es unabhängig von den historisch gewachsenen Ausbildungsstrukturen vor Ort zu einem angemessenen Finanzierungsmix von Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern kommt und insbesondere Baden-Württemberg mit seinen vielen freien Schulen, die nicht mit einem Krankenhaus verbunden sind, nicht benachteiligt wird.

 

3. Wie lässt es sich erklären, dass die Bundesländer um Baden-Württemberg bereits die Schulgeldfreiheit z.B. in der Physiotherapie bieten, Baden-Württemberg aber noch nicht?

  • Dr. Michael Preusch MdL: In Baden-Württemberg ist die Umsetzung der Schulgeldfreiheit mit besonderen Herausforderungen verbunden, weil es hier vergleichsweise viele freie Schulen gibt, die nicht mit einem Krankenhaus verbunden sind. Daraus folgt, dass sich die Krankenkassen in deutlich niedrigerem Umfang als in anderen Ländern an den Ausbildungskosten beteiligen. Die deshalb zusätzlich benötigten Mittel sind aus dem Landeshaushalt aufzubringen. So wird das Land in den kommenden beiden Jahren für die Ersatzschulen - vor allem für Physiotherapie und Logopädie - sowie die Ergänzungsschulen - vor allem für Ergotherapie und Podologie - mehr als 100 Mio. Euro bereitstellen. Davon stehen lediglich 9 Mio. Euro für Entlastungen beim Schulgeld zur Verfügung, der weitaus größere Teil fließt direkt in den Betrieb der betreffenden Schulen. Die in Baden-Württemberg eingesetzten Mittel übersteigen die Haushaltsansätze, die die meisten an Baden-Württemberg angrenzenden Länder in diesem Bereich vorsehen, deutlich. Trotz größerer finanzieller Anstrengungen, die Baden-Württemberg für die Finanzierung der Gesundheitsfachberufe unternimmt, sind also die Effekte aus Sicht der vom Schulgeld betroffenen Schülerinnen und Schüler geringer, weil in Baden-Württemberg ein wesentlicher Finanzierungsbeitrag der Krankenkassen fehlt. Dies kann nur auf Bundesebene geändert werden.

 

4. Welche Lösungsansätze sehen Sie, die Schulgeldfreiheit trotz der aktuellen finanziellen Krisenlage zu ermöglichen?

  • Dr. Michael Preusch MdL: Für die nächsten beiden Jahre sehen wir keine Möglichkeit, ohne Beteiligung des Bundes zu einer vollständigen Schulgeldfreiheit in Baden-Württemberg zu kommen. Die erstmals im Jahr 2022 eingeführten freiwilligen Landeszuschüsse zur Absenkung des Schulgeldes werden 2023/2024 auf maßgebliche Initiative der CDU-Fraktion hin verstetigt. Damit bekennen wir uns unter wirtschaftlich schwierigsten Voraussetzungen zum Koalitionsvertrag, in dem wir zugesagt haben, die Attraktivität der Gesundheitsfachberufe durch eine finanzielle Übergangsregelung bis zur bundesrechtlichen Lösung der Schulgeldfreiheit sicherzustellen. Schon das hat uns schwierige Priorisierungsentscheidungen abgefordert. Eine Erhöhung der Landesmittel im Vergleich zum Status Quo ist angesichts der angespannten finanziellen Gesamtsituation aktuell leider nicht darstellbar.

 

5. Wie können die Verbände die Politik dabei unterstützen, die Schulgeldfreiheit für die Gesundheitsfachberufe zu schaffen?

  • Dr. Michael Preusch MdL: Um in Baden-Württemberg möglichst schnell zur Schulgeldfreiheit zu gelangen, ist eine Beteiligung des Bundes unerlässlich. Insoweit können die Verbände die Landespolitik am effektivsten unterstützen, wenn sie den Bund gemeinsam mit uns und den anderen Ländern dazu bewegen, unverzüglich in die Umsetzung der bereits 2020 beschlossenen Eckpunkte der Bund-Länder-Arbeitsgruppe ,Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe‘ einzusteigen.

 

6. Was würden Sie den Schülerinnen und Schülern der Gesundheitsfachberufe gerne mit auf den Weg geben?

  • Dr. Michael Preusch MdL: Wenn das qualitative Niveau der gesundheitlichen Versorgung in Deutschland erhalten und weiterentwickelt werden soll, bedarf es einer Modifikation gewachsener Routinen und Prozesse. Dabei geht es nicht nur darum, bestehende Aufgaben und Tätigkeiten von einer Profession auf eine andere zu übertragen. Vielmehr müssen Berufsrollen und -profile weiterentwickelt und an die sich stetig wandelnden Bedarfe der Patientinnen und Patienten angepasst werden. Insbesondere wird sektorenübergreifenden Versorgungsangeboten, in denen die Akteure multiprofessionell auf Augenhöhe zusammenwirken, zunehmende Bedeutung zukommen. Vor diesem Hintergrund sind gut qualifizierte Fachkräfte in den Gesundheits- und Heilberufen von großer Bedeutung für die zielgerichtete Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens insgesamt. Der CDU-Landtagsfraktion ist es deshalb wichtig, dass für die Gesundheitsberufe verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Dazu zählen neben einer schulgeldfreien Ausbildung auch eine angemessene Vergütung, attraktive Arbeitsbedingungen sowie durchlässige und transparente Bildungs- und Karrierewege. Diese anspruchsvollen Ziele können nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund und Ländern erreicht werden. Daran wollen wir auch in den nächsten Jahren gemeinsam arbeiten, damit die Fachkräfte von morgen auf dem von ihnen eingeschlagenen Berufsweg gute Perspektiven vorfinden – nicht nur im eigenen Interesse, sondern vor allem auch im Interesse der Patientinnen und Patienten.

Vielen Dank für die Antworten!

 

Fotoquelle: CDU-Landtagsfraktion Baden-Württemberg