Offener Brief an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach
Die Vorstände von PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg haben sich in einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach gewandt. Das Anliegen: Akademisierung als Gegengift zum Fachkräftemangel in der Physiotherapie.
Sehr geehrter Herr Professor Dr. Lauterbach,
beim TherapieGipfel im November 2022 stellten Sie klar, dass wir in Deutschland eine starke akademische Ausbildung für die Physiotherapie brauchen.
Dies spricht uns, dem Verband PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg – aus der Seele, denn: Deutschlandweit herrscht Fachkräftemangel in der Physiotherapie. Uns fehlt der Nachwuchs bzw. verlassen zunehmend junge Kolleg*innen den Beruf kurz nach der Ausbildung. Die Hauptgründe: Fehlende Attraktivität des Berufes und veraltete Ausbildungsstrukturen. Die Lösung: Vollakademisierung als Gegengift zum Fachkräftemangel.
Denn der Pflegeforscher Prof. Frank Weidner äußert sich Ende Januar 2023 in der Deutschen Ärztezeitung zu den Themen Akademisierung und Fachkräftemangel in der Pflege wie folgt, wir zitieren:
"Seit mehr als 20 Jahren erlebt die Pflege eine Politik der Deprofessionalisierung. Die vermengt sich zwar gelegentlich mit Professionalisierungsschüben. Aber im Kern macht die Politik seit Jahrzehnten immer wieder den gleichen großen Fehler, dass sie versucht, den Personalmangel zu lösen, indem sie die Standards beim Zugang zu den Pflegeberufen immer weiter nach unten regelt. Das ist übrigens völlig entgegengesetzt zur Politik in sämtlichen anderen europäischen Ländern. Deutschland befindet sich hier auf Geisterfahrt“
Genau dieses Statement lässt sich 1:1 auf die Physiotherapie und andere Therapieberufe übertragen: Gehobene Standards wirken dem Fachkräftemangel entgegen.
Eine zukunftssichere Gesundheitsversorgung kann nur durch eine einheitliche hochschulische Ausbildung aller Physiotherapeut*innen sichergestellt werden:
Die Akademisierung ist die Voraussetzung für die Professionalisierung des physiotherapeutischen Berufes. Wir benötigen diesen Schritt außerdem dringend, um auch anderen Berufsgruppen (z.b. Ärzt*innen) auf Augenhöhe zu begegnen. Ohne Akademisierung und einer Novellierung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung rücken auch andere Versorgungsmodelle wie der Direktzugang in weite Ferne.
Veränderte Rahmenbedingungen in den letzten Jahrzehnten, wie Komplexität der Versorgungssituation, Interdisziplinarität sowie der demographische Wandel machen ein Umdenken auch in der Ausbildung unverzichtbar. Eine Akademisierung gibt hier Antworten auf komplexe Fragestellungen.
Im Rahmen der Evidenzbasierten Medizin (EBM) brauchen wir auch eine eigenständige Evidenzbasierten Physiotherapie (EBP). Physiotherapie braucht Forschung und dementsprechend Lehrpersonal, das Studierende zu „reflektierten Praktikern“ ausbildet.
Die vollständige Akademisierung innerhalb der Physiotherapie ist die Antwort auf den Fachkräftemangel. Sie steigert die Attraktivität des Berufes und führt zu besseren Perspektiven junger Menschen. Schon jetzt gibt es weit mehr Bewerbungen in den Physiotherapie-Modellstudiengängen als Studienplätze vorhanden sind. In Bezug auf die fachschulische Ausbildung ist dies nicht der Fall.
Zur Sicherung des therapeutischen Nachwuchses brauchen wir eine vollständige Akademisierung der Physiotherapie. Es darf kein Nebeneinander verschiedener Ausbildungswege in der Physiotherapie geben – also Berufsfachschule auf der einen Seite und Hochschule auf der anderen Seite – die zu einer Spaltung im Gesundheitswesen führen. Jungen Menschen mit mittlerem Bildungsabschluss wäre weiterhin durch eine Ausbildung zum/zur Masseur*in der Zugang zum Therapiebereich möglich. Im Anschluss hätten sie die Option einer Qualifizierung zum/zur Physiotherapeut*in an einer Hochschule.
Letztendlich geht es bei der vollständigen Akademisierung der Physiotherapie auch um die Wahrung der internationalen Anschlussfähigkeit und dem Vergleich von Bildungsabschlüssen, wie in der Bologna-Erklärung aus dem Jahr 1999 definiert. Deutschland ist in Punkto „Physiotherapie“ Schlusslicht in Europa und weltweit. Das kann nicht im Sinne der Politik sein.
Wenn wir in Zukunft eine evidenzbasierte und patientengerechte Versorgung gewährleisten wollen – wie von Ihnen beim TherapieGipfel Ende November 2022 thematisiert – dann muss es jetzt zu einem Umdenken und einem klaren Zeichen durch die Politik kommen.
Wir setzen auf Ihren politischen Willen und Einfluss – für eine moderne Ausbildung der Therapeut*innen von morgen und eine bessere Patient*innenversorgung – Für die vollständige Akademisierung der Physiotherapie!
Wir freuen uns auf Ihre Antwort, ggf. ein persönliches Gespräch und bedanken uns herzlich für Ihre Arbeit sowie Ihr offenes Ohr.
Mit freundlichen Grüßen
Hannah Hecker, Vorsitzende PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg
Dr. Claus Beyerlein, Vorstand PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg
Michael Austrup, Vorstand PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg
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