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27.09.2023

„Ich fand es immer richtig im Verband zu sein“ – langjährigstes BaWü-Mitglied Waltraud Rex im Interview

Bereits 1961 als Krankengymnastikschülerin trat Waltraud Rex dem Landesverband Baden-Württemberg von PHYSIO-DEUTSCHLAND bei, mittlerweile blickt sie auf 62 Jahre Mitgliedschaft zurück. Im Gespräch erzählt die 85-Jährige, wie ihre Praxisgründung ihr die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichte, warum sie ihre Praxis erst vor zwei Jahren abgab und was ihr Beruf ihr bedeutet.

Frau Rex, wie kamen Sie zum Beruf Physiotherapie (damals Krankengymnastik)?

Mir war es wichtig, einen Beruf zu erlernen. Daher machte ich von 1961-1963 meine Ausbildung an der Schule der BG-Unfallklinik Tübingen. Dort kamen wir uns wie richtige Studenten vor. In vielen Fachrichtungen, zum Beispiel in Anatomie, wurden wir von Universitätsprofessoren unterrichtet, die vom Niveau nicht viel heruntergingen. Auch befreundete Medizinstudenten meinten, dass wir dasselbe lernen würden wie sie.

Daher finde ich es eine Schande, dass die Physiotherapie in Deutschland immer noch diesen mittelmäßigen Status hat, obwohl wir so viel gelernt haben und dann noch die Praxiserfahrung dazu kommt. Schade, dass so an der Ausbildung geklebt wird. Denn alle, die Abitur gemacht haben, könnten ja auch studieren. Schon jetzt machen viele nach der Ausbildung noch den Bachelor!

Wann sind Sie Mitglied im Verband geworden?

Gleich zu Beginn der Ausbildung hat und die Schulleiterin dazu animiert, Mitglied zu werden. Unsere Klasse ist geschlossen Mitglied geworden. Das gehörte mit dazu, so habe ich es empfunden. Wir haben in der Krankengymnastikschule damals weiße Arbeitskleidung getragen und bekamen dafür einen Stoffaufnäher vom Verband.

Wie lief die Gründung Ihrer Praxis?

Nach meinem Anerkennungsjahr habe ich mich für die Orthopädie entschieden und an der orthopädischen Klinik in Tübingen gearbeitet. Dann habe ich geheiratet und nachdem mein erstes Kind zur Welt kam, habe ich pausiert. 1973 bin ich nach Sandhausen gezogen und eine Kollegin riet mir: Du machst eine Praxis auf, wie soll es sonst gehen mit den Kindern! Damals war der Beruf Krankengymnastik noch dünn gesät und meine war die erste Praxis in Sandhausen. Ich hatte mir den Beruf ausgesucht und wollte auch dabei bleiben. Jedoch wollte ich keine große Praxis, sondern individuell, so wie es für mich passt. Im Laufe der Jahre hat mich eine Kollegin in Teilzeit in meiner Praxis unterstützt.

Wie haben Sie von Ihrer Verbandsmitgliedschaft profitiert?

Ich habe zum Beispiel nach neuen Verhandlungen die Preislisten zugeschickt bekommen. Auch die Preisermäßigungen auf Fortbildungen und regelmäßigen Bekanntmachungen waren praktisch. Richtig gebraucht habe ich den Verband, als ich meine Praxis aufgelöst habe, da ich im Mai 2021 in Rente gegangen bin. Das hat mir Sicherheit gegeben, damit ich dabei keine Fehler mache.

Ich fand es immer richtig im Verband zu sein. Ich war froh, dass es kompetente Leute gibt, die sich einsetzen und den Kassen klarmachen, was wir leisten. Und je mehr im Verband sind, desto stärker ist ein Verband, das kennen wir von Gewerkschaften!

Welche Bedeutung hatte Ihr Beruf für Sie?

Ich habe meine Arbeit gerne gemacht, das war für mich keine Mühe. Aber diesen Rhythmus heute, 20-Minuten-Takt wie am Fließband, hätte ich nicht gewollt. Lieber habe ich weniger verdient, aber ich habe den Leuten mehr geben können.

Was würden Sie jüngeren Kolleginnen und Kollegen gerne mit auf den Weg geben?

Allgemein jungen Leuten die Notwendigkeit von Physiotherapie klarzumachen, ist so wichtig. Denn das Wissen darum hilft im Alter sehr. Erst als ich älter geworden bin, habe ich das richtig verstanden. Und wichtig ist, dass sie ihren Beruf gerne machen.

 

Fotos: Im Sommer 2023 besuchten Hannah Hecker, Vorsitzende PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg, und Andreas Hecker, Kassenprüfer bei PHYSIO-DEUTSCHLAND Baden-Württemberg, Waltraud Rex in Sandhausen und gratulierten ihr als langjährigstes Mitglied.