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09.12.2020

„Gestalten, Verantwortung übernehmen, die Profession voranbringen“ – der neue Vorstand Dr. Claus Beyerlein stellt sich vor

Nachdem Uwe Eisner im September 2019 in den Bundesvorstand gewählt wurde, führten Michael Austrup und Hannah Krappmann die Vorstandstätigkeit in Baden-Württemberg vorerst zu zweit weiter. Bei der Mitgliederversammlung im Oktober haben die Mitglieder wieder einen dritten Vorstand gewählt: Dr. Claus Beyerlein komplettiert seitdem die Vorstandsrunde. Nachdem er in den letzten Jahrzehnten immer wieder Berührungspunkte mit dem Verband hatte, wird er sich nun als Vorstand unter anderem für die Akademisierung und Evidenz in der Physiotherapie einsetzen.

 

Schön, dass Du jetzt Teil des Vorstandsteams bist! Würdest Du Dich uns kurz vorstellen?

Ja, gerne. Mein Name ist Claus Beyerlein. Ich bin 50 Jahre jung, Physiotherapeut und Diplom-Sportwissenschaftler. Mit meiner Frau und meinen erwachsenen Kindern Lynn (19 Jahre) und Lennart (22 Jahre) lebe ich in Ulm a.d. Donau.

 

Wie bringst Du Deine berufliche Tätigkeit und die Verbandsarbeit in Einklang?

Seit vielen Jahren konzentriert sich meine Arbeit auf die Lehrtätigkeit in der Fort- und Weiterbildung von ausgebildeten Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten. Hier insbesondere zu den Themen „Mobilisation mit Bewegung“ (Mulligan-Concept), Schmerz und Schmerzmanagement sowie dem Transfer von Evidenz in die Praxis. Da die Fort- und Weiterbildung überwiegend am Wochenende stattfindet, kann ich mir die Arbeit unter der Woche meist variabel einteilen. Ein Tag ist für die Lehrtätigkeit an der Berufsfachschule für Physiotherapie in Günzburg reserviert (Fächer: Rehabilitation & Prävention, Wissenschaftliche Grundlagen und Krankheitslehre Orthopädie), ein Tag für sportliche Aktivitäten und der Rest für Praxis und Verbandstätigkeit. Das funktioniert ganz gut. Durch Corona kommen jetzt auch mehr Online-Meetings hinzu, allerdings reduziert sich die Reisetätigkeit, was ich als angenehm empfinde.

 

Wie bist Du zum Verband gekommen?

Bereits während meiner Ausbildung an der Krankengymnastik- und Massageschule in Worms war ich als Landesschülersprecher im Verband, damals in Rheinland-Pfalz, aktiv. Später, nach meinem Auslandsstudium 2001 an der Curtin University in Perth/Australien, habe ich ab dem Jahr 2003 gemeinsam mit meinem Kollegen Fritz Koller die Projektgruppe „Wissenschaftliches Arbeiten“ sehr erfolgreich im LV BaWü geleitet. Damals war es ein absolutes Novum gemeinsam mit Kollegen wissenschaftliche Studien zu besprechen und zu diskutieren. In dieser Zeit entstand der erste Journal Club Deutschlands. Nachdem ich mir eine „Auszeit“ vom Verband genommen habe, bin ich seit Kurzem wieder Mitglied.

 

Was waren Deine Gründe dafür, Dich als Vorstand zur Wahl zu stellen?

Das Vorstandsamt war meinerseits nicht von langer Hand geplant. Erste Überlegungen gab es, nachdem Hannah Krappmann und ich im Oktober 2019 beide Referenten anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Physiotherapie Schule am Klinikum Mannheim waren. Wir kamen ins Gespräch, was wir dann am physiokongress 2020 in Stuttgart gemeinsam mit Michael Austrup fortsetzten. Zwar wurde die weitere Entwicklung durch Corona erschwert, aber ich konnte mir die Arbeit weiterhin gut vorstellen: Gestalten, Verantwortung übernehmen, die Profession voranbringen – das ist mein Antrieb. Außerdem, ich zitiere meine Vorstandskollegin Hannah Krappmann: „Weil ich mich engagiere, darf ich mich auch beschweren.“ Ein weiterer Grund, der dazu kam, mich der Wahl zu stellen.

 

Was sind Deine Ziele für Deine Vorstandsarbeit?

Verbandsarbeit ist wie Politik, sie braucht Ausdauer. Sie ist ein Marathon und kein 100m Sprint. Die Interessen der „Player“ im Gesundheitswesen könnten oft nicht unterschiedlicher sein. Ein großer Wunsch, den ich seit Jahren habe, ist der Traum von einem starken Verband. Dieses Ziel scheint allerdings im nächsten Jahr greifbar zu sein. Zwar wird es nicht den „Einen“ Verband geben, aber es kommt zum Zusammenschluss beider großer Verbände in Deutschland: VPT und PHYSIO-DEUTSCHLAND. Das wird spannend und diesen Weg möchte ich aktiv mitgestalten.

 

Welche drei Themen sind aus Deiner Sicht aktuell die wichtigsten für die Physiotherapie?

Unser Handeln richtet sich zu selten nach evidenzbasierten Kriterien sowie Leitlinien und deshalb sind die wichtigsten Themen für mich: 1. Überarbeitung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung (Die jetzigen Ausbildungsstandards an den Berufsfachschulen sind veraltet.  Die Vorschläge zur Überarbeitung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung, die die Verbände ausgearbeitet haben, liegen dem BMG vor – sie müssen jetzt umgesetzt werden. Diesen Prozess werde ich nach Kräften unterstützen. Langfristiges Ziel ist die Überführung der Physiotherapieausbildung in einen primärqualifizierenden Bachelor-Studiengang.) 2. Akademisierung des Berufes (Wir brauchen mehr Studienplätze und Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in der Forschung tätig sind. Das führt zu einer Professionalisierung unseres Berufes und damit zu mehr Anerkennung). 3. Neustrukturierung des Fort- und Weiterbildungsmarktes: Dazu gehört auch, manche Kollegen mögen mir das verzeihen, die Abschaffung der Zertifikatspositionen. Wenn wir diese Themen angehen, dann kommt die bessere bzw. adäquate Vergütung ganz von allein und was in vielen Ländern längst der Fall ist: der Direktzugang zur Physiotherapie.

 

Was möchtest Du als Erstes angehen?

Wir haben in Deutschland seit Jahren einen Fachkräftemangel auf dem Gebiet der Physiotherapie. Das scheint auch an der Unattraktivität des Berufes zu liegen, was m.E. auch durch die verschiedenen Modelle befeuert wird: Berufsfachschulausbildung versus Studium, aber innerhalb der Berufsfachschulausbildung die Varianten mit Ausbildungsvergütung, mit und ohne Schulgeld. Mit diesem „Flickenteppich“ muss endlich Schluss sein. Hier braucht es einheitliche und gerechte Lösungen. Viele Patienten und vor allem Sportler haben die Wichtigkeit unseres Berufes längst erkannt. Aber in der breiten Bevölkerung und besonders in der Politik ist die Bedeutung unseres Berufes meines Erachtens noch zu wenig präsent. Immerhin sind wir in diesen besonderen Zeiten von der Politik als „systemrelevant“ eingestuft worden und dürfen weiterarbeiten. Ein gutes Signal – diese Welle müssen wir weiter „reiten“.

 

Gibt es etwas, was Du den Mitgliedern mitgeben möchtest?

Derzeit werden die Themen von der Pandemie geprägt. Ich möchte, dass die Mitglieder wissen, dass die Corona-Zeit für uns alle keine einfache Zeit ist. Eine Herausforderung, sowohl gesellschaftlich, politisch wie auch persönlich. Für jeden Einzelnen, aber auch für den Verband. Aber jede Krise ist zugleich eine Chance. Deshalb geht mein Appell nicht nur an die Mitglieder, sondern ganz besonders an die Nicht-Mitglieder. Geben Sie sich einen Ruck und treten Sie einem Verband bei. Je größer die Gemeinschaft, umso eher können wir die bevorstehenden Aufgaben meistern und die Ziele erreichen. Das geht nur mit Menschlichkeit, Besonnenheit und Klarheit in der Sache. Lassen Sie uns es anpacken. Gemeinsam! Dafür danke ich Ihnen von Herzen. Bleiben Sie gesund!