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10.09.2019

Fragen und Antworten zur Physiotherapeutenkammer

Was würde es für mich als Physiotherapeut bedeuten, wenn es eine Berufekammer gäbe? Wie nützt mir das konkret? Michael Austrup, Landesvorstand Baden-Württemberg, beantwortet häufige Fragen der Mitglieder zur Kammer.

Herr Austrup, welche Vorteile haben Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten durch eine Kammer?

Der wichtigste und konkrete Vorteil der Kammer liegt darin, dass alle Berufsangehörigen in Deutschland automatisch Mitglied der Kammer sind. So können wir unsere ureigensten Berufsangelegenheiten in weiten Teilen selbst regeln, statt dass es andere, zum Beispiel Ärzte, für uns tun. Wir können regeln, wie wir unsere Ausbildung organisieren und hier die Weichen in Richtung Akademisierung stellen. Wir können regeln, wie wir unsere Fort- und Weiterbildung organisieren. Wir können die Qualifikationen zum Beruf selber festlegen. Wir hätten als Kammer eine wirklich mächtige Vertretung für unseren Beruf mit großem politischem Gewicht. Die Kassen und Ärzte könnten uns somit nicht mehr so leicht „auf der Nase rumtanzen“, zum Beispiel beim leidigen Problem der Prüfpflichten.

 

Wieviel würde eine solche Kammer die Physiotherapeuten kosten?

Hier ist eine Prognose schwierig, da es unterschiedliche Modelle der Finanzierung einer Kammer gibt, zum Beispiel einkommensabhängig oder ein Einheitsbeitrag. Entschieden wird dies letztendlich von allen Berufsangehörigen.

Jedoch hätte eine Kammer – durch die Mitgliedschaft aller Berufsangehörigen – finanziell auch auf jeden Fall einen größeren Spielraum als ein Berufsverband. So könnte zum Beispiel die Gremienarbeit der unterschiedlichen Fachrichtungen innerhalb der Berufsgruppe sichergestellt werden. Auch ausgezeichnete juristische, betriebswirtschaftliche und IT-Expertinnen und Experten würden damit finanziert, um die Kammermitglieder sowie Patienten zu beraten und zu unterstützen.   

 

Würde es in jedem Bundesland eine eigene Kammer geben?

Das Thema Kammergründung in Deutschland liegt in der Hoheit der Bundesländer, das hieße in der Tat im optimalen Fall in jedem Bundesland eine Kammer. Im Vorfeld müssten sich die Physiotherapeuten im jeweiligen Bundesland deutlich für eine Kammer aussprechen, damit die Politik dies auf Landesebene aufgreift und im Landesparlament entsprechende Gesetze erlässt. Sobald einige Länder Kammern haben, kann es zur Gründung der „Bundeskammer“ kommen. Hier wird das politische Gewicht aller Physiotherapeuten entstehen, dass wir so dringend brauchen. Es wäre sehr zu begrüßen, wenn es innerhalb der nächsten 5 Jahre erste Heilmittelkammern in den Ländern geben würde.

 

In anderen Berufsgruppen werden die Kammern manchmal als schwerfällige, bürokratische Organisationen kritisiert. Wie wäre das bei einer Kammer für Physiotherapeuten?

Zunächst einmal „bauen“ wir uns unsere Berufekammer selbst, das heißt in demokratischen Prozessen sind die Physiotherapeuten aufgerufen, an der Kammerbildung mitzuwirken. Das, was wir hinterher als Kammer erarbeitet haben, sollte im besten Falle innerhalb der Berufsgruppe konsensfähig sein. Hierzu ist es wichtig, die Kolleginnen und Kollegen fortlaufend zu informieren, zu beteiligen und den Nutzen einer Kammer zu erläutern. Wenn Sie Ärzte, Psychotherapeuten, Steuerberater oder Architekten fragen, würden diese auf ihre Kammer verzichten? Bei aller Kritik, die sicher auch vorgebracht wird, unter dem Strich überwiegen die Vorteile. So wie bisher kann es für uns Physiotherapeuten nicht weitergehen. Unsere großen Ziele können die Berufsverbände alleine nicht erreichen. Sie können eine Kammer nicht ersetzen.

 

Wenn es eine Kammer gäbe, wofür benötigen wir dann zukünftig die bestehenden Physioverbände?

Die Verbände werden weiterhin dringend gebraucht. Das große Thema Gebührenverhandlungen muss auch zukünftig von den maßgeblichen Berufsverbänden bedient werden. Dies ist keine Aufgabe der Kammer. Die Berufsverbände sollten weiterhin ihre politische Arbeit tun und unter anderem Verbesserungen für die Physiotherapeuten und Vorschläge zur Weiterentwicklung des Berufs erarbeiten, um sie dann der Kammer zur Umsetzung vorzulegen. Sie müssen die Arbeit der Kammer kritisch begleiten.

Vielen Dank für die Antworten, Herr Austrup!

 

Weitere Informationen zur Kammer

Auch in der September-Ausgabe der pt_Zeitschrift für Physiotherapeuten ist ein Interview mit Michael Austrup zur Physiotherapeutenkammer erschienen, in dem der Landesvorstand Fragen rund um das Thema Physiotherapeutenkammer beantwortet.

Weitere Informationen zur Kammer für Physiotherapeuten finden Sie auf https://www.physiotherapeutenkammer.de/.