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13.09.2017

Bundestagswahl 2017: Politikerinterview Folge 5: Pascal Kober – FDP

Mit unserem fünften Interview beenden wir unsere Reihe zur Bundestagswahl. Im letzten Interview kommt Pascal Kober zu Wort. Er kandidiert für die FDP im Wahlkreis Reutlingen für den deutschen Bundestag und ist Vorsitzender des Landesfachausschusses Gesundheit und Soziales.

Themenkomplex „Finanzielle Aufwertung des Berufes“

Frage:
- Welche Schritte sehen Sie und Ihre Partei vor, um dafür Sorge zu tragen, dass die physiotherapeutische Leistung langfristig angemessen und leistungsgerecht vergütet wird?

- Bei den Gebührenverhandlungen von 2017 bis 2019 können Kassen und Berufsverbände erstmalig ohne die durch die Grundlohnsumme (GLS) festgesetzte Obergrenze Preise verhandeln. Wie stehen Sie und Ihre Partei zu dieser Neuerung? Planen Sie die unbefristete Abkoppelung von der GLS und wenn ja unter welchen Bedingungen?
- Das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) sieht eine Transparenzklausel vor, die sicherstellen soll, dass ein Teil der Gebührenerhöhung an die Angestellten in Praxen weitergegeben wird. Wie stehen Sie dazu? Welche Art der Umsetzung wäre für Sie denkbar?

Gesamtantwort: Um eine gute und wohnortnahe medizinische Versorgung auch in Zukunft sicherstellen zu können, brauchen wir attraktive Rahmenbedingungen für Physiotherapeuten und Angehörige anderer Gesundheitsberufe. Hierzu gehören auch leistungsgerechte Preise für physiotherapeutische Behandlungen. Als Freie Demokraten ist uns ebenso die Förderung freier Berufe ein wichtiges Anliegen. Wir begrüßen die vorübergehende Öffnung der Preisverhandlung durch Entkoppelung von der Grundlohnsummensteigerung. Wenn mit dieser positive Erfahrungen gemacht werden, stehen wir einer Debatte um die dauerhafte Abschaffung positiv gegenüber. Um auch künftig zu den führenden Gesundheitssystemen zu gehören, benötigen wir ein attraktives Berufsbild der Physiotherapie. Das heißt für uns, dass wir auch hier die Herausforderungen und Entwicklungen in der Versorgung genau im Blick behalten werden.

Themenkomplex „Modernisierung der Ausbildung“

Frage: Die Berufsgesetze für Therapeuten stammen aus den 1990er Jahren und entsprechen nicht mehr einer adäquaten Patientenversorgung. Inwiefern sind Sie und Ihre Partei bereit, das Berufsgesetz in der kommenden Legislaturperiode zu modernisieren?

Den Veränderungen in der Versorgungslage muss kontinuierlich Rechnung getragen werden. Das betrifft auch und insbesondere die hier beteiligten Berufsbilder. Als Freie Demokraten ist dies für uns schon immer ein Leitmotiv gewesen. So haben wir bspw. bewusst als Verantwortliche in der 17. Wahlperiode das Rettungsassistentengesetz eingebracht und umgesetzt, um der zeitgemäßen Ausbildung und den entsprechenden Anforderungen an Rettungsassistenten im echten Leben gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund stehen wir immer für eine weitere Verbesserung von Berufsbildern für Anregungen zur Verfügung und freuen uns, dies gemeinsam mit den Vertretern der Physiotherapeutinnen und-therapeuten umzusetzen.

Frage: Ein Grund dafür, dass immer weniger junge Menschen sich für eine Ausbildung zum Physiotherapeuten entscheiden, sind die hohen Schulgeldforderungen der Physiotherapieschulen, die sich bis auf wenige Ausnahmen in freier Trägerschaft befinden. Die Therapieberufe sind somit die einzigen Ausbildungsberufe, für die man selbst für die Ausbildungskosten aufkommen muss. Werden Sie und Ihre Partei Maßnahmen ergreifen, das Schulgeld abzuschaffen?

Die FDP-Landtagsfraktion Baden-Württemberg hat sich in verschiedenen Initiativen dafür eingesetzt, dass die Landesregierung das Thema Schulgeld für Physiotherapieschulen auf die politische Agenda setzt.

In unserer Partei steht man auch vielversprechenden Ansätzen wie einer kostenlosen Ausbildung in ausgewählten Gesundheitsberufen positiv gegenüber, um die Attraktivität dieses wichtigen Berufsbildes zu stärken. Entsprechende Maßnahmen wollen wir in der kommenden Wahlperiode in Angriff nehmen.

Frage:
- Innovative Therapiekonzepte werden allerorts gefordert. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie innerhalb der nächsten vier Jahre ergreifen, um zum Aus- und Aufbau der Forschung in der Physiotherapie beizutragen?

- Stichwort Akademisierung: Wie sehen Sie die (Voll-)Akademisierung der Physiotherapie? Welche Maßnahmen ergreifen Sie, und welchen Einfluss auf die Länder machen Sie geltend, um mehr Studienplätze in der Physiotherapie zu schaffen wie vom Wissenschaftsrat gefordert?

Gemeinsame Antwort: Um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auch in Zukunft angemessen erstatten zu können, sprechen wir uns für die evidenzbasierte Medizin aus. Vor diesem Hintergrund haben wir hier als Verantwortliche in der Gesundheitspolitik der 17. Wahlperiode in Bereichen wie der Bewertung von Arzneimitteln bereits eine Nutzenbewertung eingeführt. Als Wissenschaftspartei stehen wir der Förderung akademischer Ansätze im Gesundheitswesen zur Prüfung innovativer Arzneimittel grundsätzlich offen gegenüber. Wir gehen aber nicht von einer Vollakademisierung aus, so dass wir auch in Zukunft die Physiotherapieschulen für die qualifizierte Ausbildung benötigen.

Frage: Werden Sie in der kommenden Legislaturperiode die Modellstudiengänge für Therapieberufe in Regelstudiengänge überführen?

Hierfür setzen wir uns ein, um die qualifizierte Ausbildung weiter zu stärken.

Themenkomplex „Berufliche Autonomie“

Frage: Physiotherapeuten sind sehr gut ausgebildet. Wie wollen Sie und Ihre Partei die Autonomie der Physiotherapeuten stärken?

Wir werden uns hierbei zuerst für die Stärkung der eigenständigen Stimme der Physiotherapeuten in den Gremien der Selbstverwaltung einsetzen.

Frage: Wie stehen Sie zur Kammerbildung für die Heilmittelerbringer?

Kammern für Heilmittelerbringer mit Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeiträgen stehen wir skeptisch gegenüber und halten wir nicht für notwendig. Wir Freie Demokraten halten eine starke berufliche Interessensvertretung der Heilmittelerbringer zweifelsohne für wichtig, setzen hier jedoch auf die freiwillige Mitgliedschaft in entsprechenden Zusammenschlüssen.

Frage: Bevorzugen Sie den Direktzugang oder die Blankoverordnung? Warum? Wie werden Sie sich für das eine oder andere Modell einsetzen?

Grundsätzlich stehen wir der Idee, künftige Leistungen der GKV im Rahmen von Modellvorhaben zu prüfen, offen gegenüber. Dazu bedarf es aber detaillierter Prüfung wie beispielsweise haftungsrechtlicher Themen.

Hier wird sich erweisen, ob Leistungserbringer und Versicherte beidermaßen von den Ansätzen einer zukunftsorientierten Versorgung profitieren. Zugleich entspricht es unserem gesundheitspolitischen Ansatz, im Rahmen der Subsidiarität neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vor Ort zu erproben und ihren Nutzen für die Patientinnen und Patienten zu validieren. Die Modellvorhaben möchten wir jedoch ergebnisoffen prüfen.

Thema Umsatzsteuer auf Präventionsleistungen

Frage: Das berufliche Selbstverständnis des PT erstreckt sich weit über die Kuration hinaus. Teilhabe, partizipative Ansätze sowie Vorbeugung sind wichtige Schlagworte, die allerdings nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Der Gesetzgeber entlastet die Krankenkassen bewusst und richtigerweise von der Mehrwertsteuer bei rezeptierten Leistungen, aber nicht bei Leistungen nach §20. Werden Sie sich hier für eine Änderung stark machen?

Hier sprechen Sie ein äußerst wichtiges Thema an: Die vielen unterschiedlichen Steuersätze, wie sie jetzt in der Umsatzsteuer bestehen, sind für uns nicht nachvollziehbar. Aus unserer Sicht bedarf die Umsatzsteuer bereits seit längerer Zeit einer Modifikation. Daher wollen wir in der kommenden Legislaturperiode eine gerechte Vereinfachung und Entlastung vorantreiben.

Sonstiges

Frage: Was gedenken Sie darüber hinaus noch zu tun, um die Attraktivität des Berufes des Physiotherapeuten künftig zu steigern?

Eines der Alleinstellungsmerkmale der deutschen Gesundheitspolitik ist die gemeinsame Selbstverwaltung. Hierbei wollen wir den bestmöglichen Rahmen zwischen den Gesundheitsberufen schaffen. Dies muss natürlich in enger Abstimmung mit den Betroffenen erfolgen. Hierbei wollen wir die Stimme der Physiotherapeuten stärken und somit auch die Weiterentwicklung des Berufsbildes attraktiver machen.