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08.09.2017

Bundestagswahl 2017: Politikerinterview Folge 2: Karin Maag – CDU

Wir setzen unsere Interviewreihe zur Bundestagswahl fort. In unserem zweiten Interview kommt Karin Maag zu Wort. Sie kandidiert für die CDU im Stuttgarter Wahlkreis II und war als Mitglied des Bundestags in der jetzt endenden Legislaturperiode Mitglied im Ausschuss für Gesundheit.

Themenkomplex „Finanzielle Aufwertung des Berufes“

Frage: Welche Schritte sehen Sie und Ihre Partei vor, um dafür Sorge zu tragen, dass die physiotherapeutische Leistung langfristig angemessen und leistungsgerecht vergütet wird?

Karin Maag: Derzeit haben wir in der Physiotherapie einen Fachkräftemangel. Wir brauchen aber dringend Physiotherapeuten, die sich niederlassen möchten und auch junge Menschen, die in Ausbildung gehen. Deshalb ist es uns wichtig, den Beruf wieder attraktiv zu machen – hierzu gehört, die Vergütungssituation zu verbessern. Um dies zu erreichen, haben wir die Abkopplung von der Grundlohnsumme in der CDU maßgeblich vorangetrieben.

Frage: Bei den Gebührenverhandlungen von 2017 bis 2019 können Kassen und Berufsverbände erstmalig ohne die durch die Grundlohnsumme (GLS) festgesetzte Obergrenze Preise verhandeln. Wie stehen Sie und Ihre Partei zu dieser Neuerung? Planen Sie die unbefristete Abkoppelung von der GLS und wenn ja unter welchen Bedingungen?

Karin Maag: Die CDU war maßgelblich an der Abkoppelung von der Grundlohnsumme beteiligt. Über die Dauer von drei Jahren können Preisanpassungen nun auch oberhalb der Veränderungsrate vereinbart werden. Wir werden überprüfen, welche finanziellen Auswirkungen das hat. Wenn wir feststellen, dass es sich ähnlich wie bei anderen Berufsgruppen, die auch von der Grundlohnsummenanbindung befreit wurden, im Rahmen hält, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, die temporäre Abkoppelung nach drei Jahren zu verlängern oder ganz aufzuheben. Wichtig ist, dass die Beitragssätze stabil gehalten werden.

Frage: Das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) sieht eine Transparenzklausel vor, die sicherstellen soll, dass ein Teil der Gebührenerhöhung an die Angestellten in Praxen weitergegeben wird. Wie stehen Sie dazu? Welche Art der Umsetzung wäre für Sie denkbar?

Karin Maag: Mir ist es wichtig, dass auch die Angestellten in den Praxen von den Preissteigerungen profitieren. Die Art der Umsetzung muss zwischen den Vertragspartnern – also den Verbänden und den Kostenträgern – diskutiert werden.

Themenkomplex „Modernisierung der Ausbildung“

Frage: Die Berufsgesetze für Therapeuten stammen aus den 1990er Jahren und entsprechen nicht mehr einer adäquaten Patientenversorgung. Inwiefern sind Sie und Ihre Partei bereit, das Berufsgesetz in der kommenden Legislaturperiode zu modernisieren?

Karin Maag: Als CDU wollen wir die Attraktivität der Gesundheitsberufe weiter steigern. Dazu gehören gute Ausbildungsmöglichkeiten ebenso wie die Weiterentwicklung der Berufsbilder im Gesundheitswesen. Wir möchten auch die Ausbildungsangebote an Berufsfachschulen stärken. Ziel ist ein transparentes und durchlässiges Aus- und Weiterbildungssystem.

Frage: Ein Grund dafür, dass immer weniger junge Menschen sich für eine Ausbildung zum Physiotherapeuten entscheiden, sind die hohen Schulgeldforderungen der Physiotherapieschulen, die sich bis auf wenige Ausnahmen in freier Trägerschaft befinden. Die Therapieberufe sind somit die einzigen Ausbildungsberufe, für die man selbst für die Ausbildungskosten aufkommen muss. Werden Sie und Ihre Partei Maßnahmen ergreifen, das Schulgeld abzuschaffen?

Karin Maag: Die CDU/CSU setzt sich auf Bundesebene für die Schulgeldfreiheit der Gesundheitsfachberufe ein. Wir haben mit der Pflege ein wunderbares Beispiel dafür, wie das auch für die Therapieberufe gelingen kann. Wir können uns in den Mangelberufen nicht leisten, dass in diesen Schulgeld gezahlt werden muss. Wenn wir in der nächsten Legislatur einen Schwerpunkt auf Prävention und Rehabilitation legen, dann gehört für uns dazu, dass wir dafür auch ausreichend Physiotherapeuten haben. Wenn wir in der Regierungsverantwortung bleiben, ist unser Ziel die Schulgeldfreiheit in den kommenden vier Jahren umzusetzen.

Frage: Innovative Therapiekonzepte werden allerorts gefordert. Welche konkreten Maßnahmen werden Sie innerhalb der nächsten vier Jahre ergreifen, um zum Aus- und Aufbau der Forschung in der Physiotherapie beizutragen?

Karin Maag: Forschungspolitik ist Ländersache. Da möchte ich ungern den Landesministern aus Berlin gute Ratschläge geben. Dennoch ist es mir schon ein grundsätzliches Anliegen, dass es mehr Forschung in der Physiotherapie gibt.

Frage: Stichwort Akademisierung: Wie sehen Sie die (Voll-)Akademisierung der Physiotherapie? Welche Maßnahmen ergreifen Sie, und welchen Einfluss auf die Länder machen Sie geltend, um mehr Studienplätze in der Physiotherapie zu schaffen wie vom Wissenschaftsrat gefordert?

Karin Maag: Ich kann mir vorstellen, dass eine Teilakademisierung stattfindet. Wir haben ja die Modellstudiengänge aufgelegt, da müssen wir jetzt einmal abwarten, welche Ergebnisse erzielt werden. Die Zeitschiene für die Evaluation haben wir verlängert.

Grundsätzlich bin ich der Überzeugung, dass wir bereits jetzt sehr gut ausgebildete Physiotherapeuten in Deutschland haben. Ich bin hoch zufrieden mit diesem Beruf. Deswegen muss die Frage erlaubt sein, weswegen wir jetzt etwas grundlegend an der gut funktionierenden Ausbildung ändern sollen. Eine Teilakademisierung kann ich nachvollziehen, wenn es um die Qualifikation von leitenden Physiotherapeuten geht – ähnlich wie in der Pflege. Die Notwendigkeit der Vollakademisierung in der Physiotherapie sehe ich im Moment nicht.

Frage: Werden Sie in der kommenden Legislaturperiode die Modellstudiengänge für Therapieberufe in Regelstudiengänge überführen?

Karin Maag: Ob die Modellstudiengänge am Ende der nächsten Legislatur, also wenn die weiteren vier angesetzten Jahre herum sind, in Regelstudiengänge überführt werden, wird sich zeigen, wenn wir die Ergebnisse haben und diese evaluiert wurden.

Themenkomplex „Berufliche Autonomie“

Frage: Physiotherapeuten sind sehr gut ausgebildet. Wie wollen Sie und Ihre Partei die Autonomie der Physiotherapeuten stärken?

Karin Maag: Verantwortung bei guter Ausbildung ist wichtig. Mit der Blankoverordnung stärken wir die Verantwortung gegenüber dem Patienten und dem verordnenden Arzt. Autonomie heißt Selbstbestimmung oder Eigenverantwortlichkeit. Eine gute Behandlung geht aber meiner Ansicht nur gemeinsam mit dem Arzt und nicht unabhängig von ihm.

Frage: Wie stehen Sie zur Kammerbildung für die Heilmittelerbringer?

Karin Maag: Ich bin ein Freund von Verkammerung, weil ich dann einen einheitlichen Ansprechpartner habe. Das funktioniert beispielsweise mit den Ärztekammern wunderbar. Für die Politik ist ein Kammersystem einfacher, derzeit wissen wir nicht, wenn wir mit einer Gruppe sprechen, was die andere davon hält. Eine Verbindlichkeit wäre für uns wünschenswert. Ich habe mit den Kammern keine schlechte Erfahrung gemacht.

Frage: Bevorzugen Sie den Direktzugang oder die Blankoverordnung? Warum? Wie werden Sie sich für das eine oder andere Modell einsetzen?

Karin Maag: Wir haben uns zu der so genannten Blankoverordnung bekannt, bei der Heilmittelbringer eigenständig über Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz entscheiden. Dazu stehe ich auch. Die Blankoverordnung werden wir im Rahmen von Modellprojekten testen. Es gibt inhaltliche Bedenken, die gegen eine Entscheidung für den Direktzugang geführt haben. Der Physiotherapeut darf keine Heilkunde ausüben, das darf bisher nur der Arzt. Nach meinem Dafürhalten sollte dies auch so bleiben, denn nur die Ärzte haben eine ganzheitliche Sicht auf den Patienten und nicht nur beschränkt beispielsweise auf den Rücken. Die Gefahr besteht, dass gefährliche Krankheiten, zum Beispiel Tumore, unerkannt bleiben, wenn diese ganzheitliche Sicht fehlt. Wir sollten jetzt erst einmal die Evaluationen zur Blankoverordnung abwarten, bevor wir gegebenenfalls den nächsten Schritt gehen.

Thema Umsatzsteuer auf Präventionsleistungen

Frage: Das berufliche Selbstverständnis des PT erstreckt sich weit über die Kuration hinaus. Teilhabe, partizipative Ansätze sowie Vorbeugung sind wichtige Schlagworte, die allerdings nicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Der Gesetzgeber entlastet die Krankenkassen bewusst und richtigerweise von der Mehrwertsteuer bei rezeptierten Leistungen, aber nicht bei Leistungen nach §20. Werden Sie sich hier für eine Änderung stark machen?

Karin Maag: Wir werden nicht einzelne Teile aus dem Umsatzsteuerrecht herausgreifen auch wenn uns durchaus bewusst ist, dass Nachbesserungsbedarf an einigen Stellen gegeben ist. Das Umsatzsteuerecht muss insgesamt überprüft werden.

Sonstiges

Frage: Was gedenken Sie darüber hinaus noch zu tun, um die Attraktivität des Berufes des Physiotherapeuten künftig zu steigern?

Karin Maag: Die CDU hat in der letzten Legislaturperiode gezeigt, dass ihr die Anliegen der Physiotherapeuten am Herzen liegen. Wir sind bereit, mit den Physiotherapeuten darüber zu diskutieren, was zur Weiterentwicklung des Berufes notwendig ist und was dazu beiträgt, dass wir ausreichend gute Physiotherapeuten haben.

Wir brauchen einen Mix an Maßnahmen um Physiotherapeuten in die Niederlassung zu bekommen und junge Menschen in die Ausbildung zum Physiotherapeuten. Ich bin mir sicher, wenn wir die Physiotherapeuten ordentlich bezahlen, werden wir auch ganz schnell dem Fachkräftemangel beikommen.