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30.06.2017

Die neue Entgeltordnung im TVÖD – ein Interview mit Rocco Caputo, 2. Vorsitzender im LV Bayern

Bereits seit dem 1. Januar 2017 ist sie in Kraft: Die neue Entgeltordnung für Physiotherapeuten, die im öffentlichen Dienst angestellt sind. Aufgrund einiger Rückfragen zum Thema veröffentlichen wir an dieser Stelle noch einmal ein Interview mit Rocco Caputo, 2 Vorsitzender im Landesverband Bayern, der als Mitglied einer Arbeitsgruppe aus multiprofessionellen Experten an der Ausgestaltung der Tarifordnung mitgewirkt hat.

Seit 1. Januar 2017 gilt  für die im öffentlichen Dienst angestellten Physiotherapeuten eine neue Entgeltordnung. Diese bringt einige Verbesserungen für Physiotherapeuten mit sich – beispielsweise, dass diese künftig in die EG 7 statt in die EG 6 eingruppiert werden. Zudem sind die Aufstiegschancen jetzt deutlich besser und auch die neuen Eingruppierungsmerkmale für Lehrkräfte sind ein Erfolg. Trotz dieser erfreulichen Veränderungen übt PHYSIO-DEUTSCHLAND deutlich Kritik an der neuen Entgeltordnung: Ver.di ist es nicht gelungen, einige Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsmerkmale zeitgemäß zu beschreiben und in die Entgeltordnung zu implementieren. Dies betrifft insbesondere die Beschreibung bzw. Definition der „schwierigen Aufgaben“ sowie die Eingruppierungsmerkmale für „Leitende Physiotherapeuten“. Eine Arbeitsgruppe aus multiprofessionellen Experten, denen auch der 2. Vorsitzende des LV Bayern, Rocco Caputo, angehörte, hatte hier sehr detaillierte Vorschläge erarbeitet. Unser Mitgliederzeitschrift  Zur Sache Physiotherapie sprach mit ihm.

ZSPT:  Die neue Entgeltordnung wurde gemeinsam mit dem TVÖD verabschiedet, sie wird am 1. Januar nächsten Jahres in Kraft treten. Vielleicht erst mal zum Hintergrund: Was ist die neue Entgeltordnung genau und warum gab es die bisher nicht?

Rocco Caputo: Die Entgeltordnung regelt die Eingruppierung beispielsweise von Physiotherapeuten in den öffentlichen Dienst, indem besondere Tätigkeitsmerkmale beschrieben wurden. Z. B.: Arbeitet jemand in der Neurologie, dann ist das ein Hinweis auf eine schwierige Tätigkeit, arbeitet jemand in der Inneren Medizin, dann wird diese Tätigkeit eher der Normaltätigkeit zugeordnet. Und so beschreibt die Entgeltordnung diverse Tätigkeiten, um dann einen Physiotherapeuten oder eine Physiotherapeutin gerecht tariflich einzuordnen.

Nun musste die Entgeltordnung ja erst mal entwickelt werden, bevor sie überhaupt verabschiedet werden konnte. Es ist so, dass Du nicht nur seit Jahren bei uns im Vorstand tätig bist, sondern auch bei ver.di. Ver.di ist auf dich zugekommen und hat dich gefragt, ob du mitarbeiten würdest – wie sieht denn sowas dann genau aus?

Die Arbeit an der Entgeltordnung war erforderlich, weil im Jahr 2004 der damalige Bundes Angestellten Tarif (BAT)durch den Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVÖD) abgelöst wurde. Und damals wurden alle bis dahin gültigen Tätigkeitsmerkmale abgelöst, allerdings bis heute nicht ersetzt. Man hat dann damals noch ersatzweise zurückgegriffen auf die alte BAT-Beschreibung. Aber es war einfach jetzt erforderlich, diese 12 Jahre alte, große Lücke zu schließen. Ver.di allein kann natürlich so ein großes Themengebiet nicht stemmen. Deswegen wurden Experten gesucht, und da habe ich mich dann gemeldet. Insgesamt waren wir in meiner Arbeitsgruppe drei Physiotherapeuten, unter anderem Michael Stubenrauch, der Ausschuss-Sprecher unseres Ausschuss Angestellte im LV Bayern, ein weiterer Physiotherapeut aus Nordrhein-Westfalen, der Personalrat war und ist und eine Ergotherapeuten hat bei uns noch mitgearbeitet. Es gab vorbereitende Präsenz-Treffen, die ver.di organisiert hat. Da wurde noch mal erklärt, wie die Systematik der Entgeltordnung grundsätzlich ist und dann haben wir uns mehrfach unter Anleitung von ver.di in der kleinen Gruppe getroffen. Und zum Schluss gab es noch eine große Plenums-Runde.

Das heißt, ihr wart zu viert in dieser Arbeitsgruppe. Es gab aber bestimmt auch noch Unterstützung von außen, oder?

Ja, da konnte ich, bzw. auch Michael Stubenrauch, auf unser gesamtes Netzwerk von PHYSIO-DEUTSCHLAND zurückgreifen. Da gab es das feste Gremium der  Angestellten-Vertreter auf Bundesebene und wir bekamen auch Unterstützung von erfahrenen Physiotherapeuten - leitenden Physiotherapeuten - beispielsweise aus Universitäts-Kliniken sowie von den Berufsgenossenschaften, die uns Unterlagen und Informationen zur Verfügung gestellt haben. Und dann natürlich war der Ausschuss Angestellte des LV Bayern eine sehr große Hilfe. In diesem Gremium haben wir die meiste Arbeit geleistet und von daher stammten auch die meisten fachlichen Anregungen. In dem Zusammenhang möchte ich gerne mal ein Dankeschön loswerden an die Mitglieder des Ausschuss Angestellt im LV Bayern!

Das klingt ja ganz schön aufwendig. Da haben eine Menge Leute sehr viel Zeit und Energie reingesteckt. Ihr habt den Entwurf im letzten Jahr bei ver.di eingereicht, verabschiedet wurde er im April – ich glaube, du warst ein bisschen überrascht?

Ja, allerdings war ich überrascht. Das hatte gar nichts mehr mit dem zu tun, was wir abgeliefert hatten. Unsere Eingruppierungs-Systematik für Physiotherapeuten am Patienten hatte nichts mehr mit dem zu tun, sondern es tauchten wieder alte, nicht mehr zeitgemäße Begriffe auf, beispielsweise aus der BAT-Formulierung der 1960er Jahre.

So etwas ist leider Alltag in der Berufspolitik. Trotzdem muss man natürlich sagen, dass die neue Entgeltordnung auch einen Menge Vorteile mit sich bringt.

Grundsätzlich konnten wir eine Aufwertung der Normaltätigkeit erreichen, nämlich aus der Entgeltgruppe 6  in die Entgeltgruppe 7. Wir konnten erreichen, dass die Entgeltgruppen insgesamt erweitert wurden, es ist nämlich jetzt möglich Physiotherapeuten bis in die Entgeltgruppe 15 einzugruppieren. Wir konnten auch erreichen, dass akademische Ausbildung zumindest bei Lehrkräften Niederschlag findet.

Das sind doch schon mal gute Ansatzpunkte. Soweit ich weiß, sind die nächsten Verhandlungen 2018. Wo möchtest du ansetzen, wo siehst du Nachbesserungsbedarf?

Nachbesserungsbedarf sehe ich insbesondere bei der Normaltätigkeit von Physiotherapeuten. Die muss zeitgemäß sein. Denn jetzt, und darin bestand auch die Enttäuschung, wurden einfach alte Tätigkeitsmerkmale, die zum Teil noch aus den 1960er Jahren zu BAT-Zeiten stammten, in die neue Entgeltordnung übernommen. Und hier sind wir wieder in Kontakt mit ver.di, um das zeitgemäß, modern, aber vor allem auch dynamisch anpassungsfähig zu gestalten.

Das heißt also, dass du nicht frustriert hinschmeißt?

Nein, im Gegenteil, das gehört dazu. Dazu mache ich auch schon zu lange Berufspolitik. Wenn’s schwierig wird, muss man dranbleiben. Und wenn es schwierig wird, bin ich auch bereit, die Schlagzahl zu erhöhen.

Also Rocco, von mir auf jeden Fall ein dickes LIKE dafür – vielen herzlichen Dank.

Das Gespräch führte Silke Becker-Hagen, Pressereferentin des LV Bayern. Es wurde erstmals in der Ausgabe 3 des vergangenen Jahres in der Zur Sache Physiotherapie veröffentlicht.

Interessierte finden hier sämtliche Neuerungen zum 1. Januar 2017 in einer Ver.di-Broschüre übersichtlich dargestellt.